Content

STEFAN LEO.
DAS INTERVIEW.

STEFAN LEO MACHT MÖBEL
ZU KUNST – UND KUNST ZU MÖBELN.
IM INTERVIEW BERICHTET ER
ÜBER MEISTERSTÜCKE, SCHÖPFERQUALEN
UND SURFER-PARADIESE.

into interiors interview 23 November 2016 17

Wir sind in seiner Werkstatt verabredet, die ich mir ehrlich gesagt ganz
anders vorgestellt hatte. Hier sieht es so aus wie beim Schlosser um die
Ecke, nur ein wenig größer vielleicht ‒ und sehr viel netter. Alles an diesem
Ort scheint Kultur-durchdrungen. Sogar das kleine Garten-Idyll im Hof.

„Kunst und Design setze ich gleich.” 

Just an diesem Tag wird ein Sideboard verpackt, das nach Übersee gehen
soll. ›Adana‹ heißt das Objekt aus patinierter Bronze, über das sich ein
Sammler freuen kann. Es zeigt eine frostig-schöne Glas-Struktur, bei der
zerfranste Kreise die Oberfläche bilden. Was ist das für eine Geist, der hinter
all diesen skulptural Kunstwerken steckt. 14 Fragen an Stefan Leo.

Herr Leo, Ihre Designs sind in Galerien und Privatsammlungen rund um den Globus zu finden. War das ein langer Weg?

Ja und nein. Natürlich hat es Jahre gedauert, um das handwerkliche Wissen und die Erfahrungen zu sammeln. Es ist ein breites Spektrum an Materialien, das letztlich zu diesen Designs führt. Aber andererseits – ein langer Weg war es nicht. Ich habe nie und nimmer erwartet, dass sich derartige Kunden so schnell in unserer Kartei wiederfinden könnten. Das ist für mich immer noch ein Wunder – aber so ist es passiert. 

Wissen Sie, wie Ihre Kunden Sie finden?

Manchmal schon. Wir sind einfach seit 12 Jahren auf internationaler Ebene präsent, insbesondere auf der Maison & Objet in Paris. So hat sich in Regelmäßigkeit ein fester Kundenstamm entwickelt. Und natürlich darf man den Faktor der Mund-zu-Mund-Propaganda nicht unterschätzen. Am Ende des Tages ist es doch eine sehr kleine Nische, in der wir uns bewegen. Und da kennen sich fast alle Protagonisten irgendwann. 

Die meisten Ihrer Kunden kommen aus dem Ausland. Richtig?

Ja, wahrscheinlich 80 oder 90 Prozent. Wir liefern nach Frankreich, England, in die Schweiz, dann auch nach Hongkong, an die Ost- und Westküste der USA. Das ist so das Hauptding, aber nicht nur. Dadurch, dass wir auch für internationale Luxus-Labels arbeiten, sind unsere Sachen... also wirklich... heute in fast allen Ländern vertreten. 

Was war Ihre ursprüngliche Ausbildung?

Oh – das Leben! Auf dem Papier bin ich Betriebswirt. Ich habe außerdem nordische Philogie und Geografie ohne Abschluss studiert. Dazu kamen ein paar Semester Anglistik und meine Tätigkeit als Fotograf. Aber meine wahre Ausbildung, das waren Reisen. 

Ihre wahre Ausbildung bestand in Reisen?

Ja, schon. Ich bin sieben Jahre um die Welt gereist – zum Wellenreiten. Das war ganz initial auch der Grund, warum ich so viele Gewerke kennengelernt habe. Irgendwie mussten sich meine Reisen ja finanzieren. Ich bin merkantil veranlagt, also habe ich Dinge gekauft und wieder verkauft, die mir gefielen. Das war schierer Handel zunächst, aber mit Passion für das Handwerk, das dahinter stand. Deshalb habe ich auch immer gut verkauft, weil ich zu jeder Ware eine schöne Geschichte erzählen konnte.

Der zweite Schritt waren dann Vorgaben. Was auf den Märkten ankam, wusste ich als Händler doch ziemlich genau. Gleichzeitig hatte ich Zugang zu dem Handwerk und den Fertigungstechniken, die traditionell für das Land stehen. Irgendwann lag meine erste Skizze auf dem Tisch. Aber Grundlage war nicht das Design, sondern das Material sowie das Handwerk. Mit großem Respekt vor den Händen, die solche Dinge fertigen. 

Stefan Leo


„DASS WIR DA SIND,
WO WIR JETZT SIND,
HABE ICH AM ANFANG ÜBERHAUPT
NICHT ERWARTET.“


Wie kam es dann zu dem Standort Berlin?

Je weiter sich mein Weg entwickelt hat, desto schwieriger wurde es, die verschiedenen Gewerke in der Ferne zusammenzubringen – so bin ich dann in Berlin gelandet.

Aber doch mit Erfahrung im Gepäck: Ich habe auf unterschiedlichen Inseln mit Ikat-Webern gearbeitet. In Vietnam, wo die Oberflächenveredlung seit jeher einen großen Stellenwert besitzt, kamen Urushi-Lacke hinzu. Ich war in Indonesien in Projekte um Schnitzereien eingebunden und durfte mich, vor allem in Marrakesch, um alte Formen der Metallverarbeitung kümmern. Sie merken schon – alles Surfdestinationen. 

Jetzt haben Sie alle Gewerke an einem Platz?

Wenn man so will. Im Zusammenspiel mit ›Atelier Stefan Leo‹ stehen verschiedene Werkstätten, die alle auf eigenen Füßen stehen. Und obwohl wir uns durchweg als eine Familie fühlen – weil sich tatsächlich alles um die Fertigung dieser Objekte dreht – ist es doch am Ende des Tages so, dass es selbstständige Einheiten sind, die mir zuarbeiten.

Sämtliche Metall- und Glasarbeiten, auch Schlosser- und Schmiedearbeiten, entstehen unter einem Dach, in unserem Kreuzberger Hinterhof. Spezielle Patinierungen sowie Lack-Oberflächen sind für mich weitere, wichtige Aspekte des Designs. Dann kommen Materialien wie etwa Sattelleder, Pergament oder Rochen dazu. Seit einiger Zeit arbeiten wir immer häufiger mit Maketterie-Einlegearbeiten. Oder, sofern es sich anbietet, mit Stroh-Intarsien und interessanten Steinsorten. Das Feld ist wirklich sehr, sehr weit. 

Sie sagen von sich selbst, Ihre Designs seien wenig deutsch.

Möbel-Designs sind hierzulande natürlich Bauhaus-tradiert. Nicht zuletzt durch die Herangehensweise, wie Industriedesign an deutschen Universitäten vermittelt wird. Wenn ich nach Skaninavien schaue, dann ist eine Design-Ausbildung dort auch mit Handwerk kombiniert. Ich hatte immer die Vision, ganz außergewöhnliche Dinge zu kreieren ‒ auf der Basis von Materialien und Techniken, die in der Massenproduktion rein ökonomisch gesehen nicht möglich sind. Dies hat mich gereizt. Ich wusste zwar nicht, finde ich dafür Kunden. Aber das hat mich angetrieben. Und letztlich führte auch der Grad der Kenntnisse über die Gewerke und meine Liebe zur Kunstgeschichte (vor allem zu den Meistern in Frankreich aus den 30er bis 50er Jahren) dazu, dass ich zu einer gewissen Formsprache inspiriert worden bin. Für Deutschland relativ untypisch.

Aber in diesem Zusammenhang ist auch Hans-J. Pahl zu nennen.

Als Leiter seiner Metallverarbeitungsfirma ist er nicht nur sehr maßgeblich an der Fertigung beteiligt, als Duo entwickeln wir auch das Design. In jedes Objekt fließen gleichermaßen die Gedanken von Hans-Jürgen, der zudem ein exzellenter Handwerker ist. Wir reiben uns aneinander, treiben gemeinsam den Prozess voran. Diese Art von Gegenpart ist nötig, auch für mich. Als Einzelkämpfer ist man eher gehandikapt... 

Ihre Objekte bewegen sich zwischen Kunst, Design und Gebrauchsgegenstand. Was davon ist Ihnen am wichtigsten?

Kunst und Design setze ich gleich, der Nutzen ist für mich eher nachrangig. Aber wir agieren auch nicht im luftleeren Raum, wir arbeiten mit und für die Kunden. Allein an der Art der Kundschaft zeigt sich, dass wir uns genau in einem Feld zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand bewegen. Hier ist es eine Galerie, dort ein Sammler.

Oder wir arbeiten projektbezogen, wenn ein Architekt oder Interior-Designer von uns Dinge einsetzen möchte, die einen Zweck erfüllen müssen ‒ trotzdem werden sie nur deshalb bestellt, weil sie dem Raum eine skulpturale Note geben können. Insofern sind die Übergänge zwischen Kunst, sich selbst genügend, und dem Nutzen sicher fließend. Und die Wahrnehmung der Kunden ist, denke ich, auch sehr unterschiedlich. 

Kam so auch Ihre Zusammenarbeit mit ›Dior‹ zustande?

Es gibt bei uns keinen pro-aktiven Vertrieb. Dior hat sich bei uns gemeldet, so kam es ganz unkompliziert zu einer ersten Bestellung. Aber es freut uns, dass in Publikationen von Dior über unsere Objekte zu lesen war. Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren für Christian Dior, ob nun mit externen Architekten oder der hauseigenen Interior-Abteilung. Nur wir unsererseits definieren uns nicht über Namen. Diskretion ist ein hohes Gut.

Aber natürlich sind wir stolz, wenn Lob kommt. Es geht immer um das gesamte Team. Das fängt mit der Betreuung an und reicht über den sicheren Transport bis hin zum Selbstverständnis. Das merken die Kunden, wenn die Ansprache passt. Es ist ein Apparat, bei dem jedes Element gleichwertig ist. Es geht keineswegs nur um Design und Kunst. 

Ist es bezeichnend, dass sich gerade ein französisches Label an das ›Atelier Stefan Leo‹ gewandt hat – und eben nicht ein deutsches?

Ja, absolut. Aber das liegt natürlich auch an Paris. Wenn man an der Seine ein wenig hinter die Kulissen schaut, dann kommt man auch immer auf Paris als Hauptstadt des alten, tradierten Handwerks. Die großen Luxus-Unternehmen sind das, was sie sind, weil diese Wertschätzung des Handwerks dort eine lange und sehr lebendige Tradition hat. Man sieht das unterem anderem an der Haute Couture – viele kleine Ateliers sind absolut essentiell, um letztendlich das herzustellen, was in Paris auf die Laufstege kommt. 

Auf dem internationalen Kunstmarkt werden ihre Objekte bereits für mehrere 10.000 Dollar gehandelt. Freut oder ärgert sie das?

Ach, das freut mich. Dass es Menschen gibt, die gewillt sind, solche Beträge zu bezahlen. Der Preis eines Objekts ist ja auch eine Wertschätzung der jeweiligen Arbeit. Das freut uns hier alle. Darin liegt ein Parameter, der Anerkennung ausdrückt.

Es gibt bei Ihnen keine Kollektion, aber ein Workbook. Was ist das?

Es ist eine Inspirationsquelle für Leute, die unsere Arbeit mögen. Ob nun Interior-Designer, Privatkunden oder Wiederverkäufer.  Im Workbook zeigt sich, was möglich ist. Die Objekte sind bestellbar. Oder auch modifizierbar. Über viele Seiten sind Materialien und Designs zusammengefasst.  Repräsentativ, aber nicht vollständig.  Es nennt sich eine große Auswahl von dem, was wir gemacht haben. Denn auch wir entwickeln uns weiter. So dass manche Entwürfe, die wir nicht mehr verfolgen, in den Hintergrund treten. 

Denken Sie Ihre Objekte von außen nach innen?

Ja, exakt. Das ist sehr oft der Fall. Ich bin tatsächlich vernarrt in Materialien und Oberfläche. Vielleicht ist das auch eine der Haupt-Inspirationsquellen, die mich dazu bringen, gewisse Dinge zu machen. Ja, ich denke von außen nach innen. Ich sehe etwas ‒ und habe sofort ein Bild vor Augen. Und ich bin dann immer wieder überrascht, wie sich meine Ideen später in einer 3D-Simulationen darstellen oder im fertigen Objekt.

Heißt, ich kann vieles für mich am Rechner überprüfen. Aber das Ergebnis habe ich eigentlich schon vorher. Im Kopf. Ich sehe eine Oberfläche ‒ und weiß, was ich damit machen will. Ob es dann auch ankommt, das ist eine andere Frage. Da geht es mir wie allen Künstlern. Es ist immer das große Zittern vor einer Ausstellung, weil man sich sehr weit aus dem Fenster lehnt ‒ was die Kreation und auch das Ökonomische angeht. 

FÜR DIESES INTERVIEW — DANKE, STEFAN LEO!
If it swells, ride it!

Alle Objekt-Fotos: Atelier Stefan Leo
Interview: Anja Lohmüller. Portrait-Fotos: © into interiors. 


Abgebildete Objekte (von oben nach unten):
Adana Sideboard, Sandy Console, Melancolia Table, Labranda Console, Thé Galuchat Lamp

YOU MAY ALSO LIKE


„Das zeigt auch, wie wir denken.
Oberflächen, die in der Holzbildhauerei
üblich sind, finden sich bei uns überraschend
in Stahloberflächen wieder.“

Stefan Leo