Charles Paris
Kaum mehr als zehn Personen agieren in der Werkstatt, die ›Charles Paris‹ einst von der Silberschmiede Christofle übernommen hat. Die Handgriffe der Männer sind präzise – und trotzdem für den Außenstehenden kaum zu verstehen. Hämmern, Biegen, Löten und Schmelzen lauten die Prozesse. Es folgt das Feilen, Meißeln, Bürsten sowie Polieren. Und, und, und.
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man sich inmitten dieser staubigen Hallen in ein anderes Zeitalter versetzt fühlen. Und so ist es natürlich auch. Denn seit Generationen widmet sich das Haus ›Charles‹ einer Arbeit, die Licht auf das Niveau von Bronze-Skulpturen erhebt.
Gegründet wurde die Manufaktur von Ernest Charles im Jahr 1908. Er ging damit einer langjährigen Ära von Familien-Mitgliedern voraus, die sich in die Geschichtsbücher der metallbasierten Lichtgestaltung mit eintragen sollten. Aber auch Talente von außen wurden geholt, um den Geist des Hauses laufend weiter zu entwickeln. So etwa: Luc Gensollen, der für ›Charles Paris‹ ein lichtsprühendes Meisterwerk entwarf – Objekte der Serie Bubbles.
Oder nehmen Sie die gut 10 kg schwere Tischleuchte Arashiyama von Pierre Salagnac. Bei diesem Entwurf werden organisch gehaltene Bambusstäbe mit sicherer Hand in das Metall gearbeitet. Das Stück folgt einer Tradition, die das ›Maison Charles‹ bereits ab den 50er Jahren legendär machte: die Verbindung von architektonischer Strenge mit Elementen der Natur.
Ein Superdatum ergab sich 2008, als man die kostbare Zahl ›100‹ in den Firmen-Chroniken verzeichnete. Die Manufaktur hinterlegte das Jubiläum mit drei neuen Kreationen, die auf unterschiedliche Art und Weise das handwerkliche Vermögen dieser Werkstatt aufzeigten.
Die Chandeliers der Serie Bubbles gehörten dazu. Aber auch eine Bodenlampe von Philippe Parent. Vor allem aber verzauberte die Zusammenarbeit mit dem spanischen Modeschöpfer Paco Rabanne. Oben: das von ihm signierte und in winziger Auflage produzierte Objekt Atlante.
Nur drei Jahre später, nämlich 2011, entstanden Chandeliers der Serie Angela. Der Entwurf stammt von Jean Manuel Freitas, der seit mehr als 40 Jahren für die Werkstatt tätig ist. Wie kaum ein anderer beherrscht er die hohe Kunst des Modellierens, Ziselierens sowie Punzierens. Angela besteht aus blattähnlichen Strukturen, die mit feinem Bronzepulver lackiert werden.
Mit zu den elegantesten Stücken innerhalb der Kollektion gehört freilich auch das Objekt Landscape von Raphael Navot. Der 1977 in Israel geborene Designer, der beispielsweise für Cappellini gearbeitet hat, gilt als radikal-visionärer Übersetzer alter Handwerkstechniken. Gemeinsam mit ›Charles Paris‹ präsentierte er 2017 einen reliefartigen Bronzeguss, über dem – fast unwirklich schön – ein weißer Seidenschirm balanciert. Die Patina dieser Tischleuchte basiert auf einer komplexen Oberflächenveredelung, deren Entwicklung bis ins 16. Jahrhundert verweist. Dabei erhält das Metall eine Behandlung über chemische Essenzen und Wärme.
Seinen vielleicht bedeutendsten Coup löste das Haus allerdings ein, als Michael Wagner (seit vielen Jahren sowohl Geschäftsführer wie auch Inhaber der Pariser Nobel-Manufaktur) die Lizenzen für eine ›Felix-Agostini-Edition‹ erwarb. 2013 konnten die ersten 20 Objekte dieser durchgängig signierten und nummerierten Kollektion vorgestellt werden. Ein edles Beispiel hierfür ist die Tischleuchte Cocotte, die um 1960 entwickelt wurde. Sie markiert (ebenso wie die in Bild 2 vorgestellte Tischleuchte Socle) eine grandiose Epoche des französischen Designs.
Auch aus den 60er Jahren stammt die knapp 50 cm hohe Tischleuchte Jonc, für die Jacques Charles verantwortlich zeichnete. Gemeinsam mit seinem Bruder Jean bildete er die zweite Generation der Charles-Dynastie. Sein glanzvolles Wissen hatte er sich an der ›Ecole Boulle‹ in den Fächern Interior-Design und Holz-Skulptur angeeignet. Das Oeuvre der Manufaktur ergänzte er um eine neue, minimalistisch Note. Viele seiner Objekte werden noch heute produziert.
Jean hingegen überließ die Entwurfsarbeit vorzugsweise seiner Frau <link https: www.1stdibs.com creators chrystiane-charles external-link>Chystiane, die zu den bedeutenden, auch stilprägenden Bronze-Künstlerinnen ihrer Zeit avancierte. Jean Charles entwarf jedoch ein Stück, das ganze 20 Jahre nach dem ersten Prototypen nochmals eine große Würdigung auf dem ›Salon du Luminaire de Paris‹ erfuhr – seine Tischleuchte Stockholm.
Und so fliegt das Auge bei ›Charles Paris‹ eben staunend von einer Katalogseite zur anderen. Es sind durchweg erhabene Kreationen, denen immer auch etwas Zeitenthobenes innewohnt.
Grundlage dieser besonderen Kunst ist natürlich der Bronzeguss – bei vereinzelten Einsätzen auch unter der Verwendung von Messing, feinen Nickelauflagen oder hochlegiertem Stahl. In minutiöser Handarbeit, eingebettet in ein Sandgussverfahren oder die altüberlieferte Technik der Wachsschmelze, entsteht die Haute Couture des Lichts. Oben: Arceaux von Jacques Charles.
Informationen: <link https: www.charles.fr external-link>www.charles.fr/
© photos: Joel Vogt, Courtesy of Charles Paris / France
Bild 01: Jonc von Jacques Charles, 60er Jahre
Bild 02: Socle von Felix Agostini, 1961
Bild 03: Bubbles, oval 12 Lichter, von Luc Gensollen, 2008
Bild 04: Arashiyama von Pierre Salagnac
Bild 05: Atlante von Paco Rabanne, 2008
Bild 06: Angela von Jean Manuel Freitas, 2011
Bild 07: Landscape von Raphael Navot, 2017
Bild 09: Jonc von Jacques Charles, 60er Jahre
Bild 10: Stockholm von Jean Charles, 60er Jahre
Bild 11: Atlante von Paco Rabanne, 2008
Bild 12: Arceaux von Jacques Charles, 60er Jahre