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Gio Ponti

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Gio Ponti stand jeden Tag um fünf Uhr auf. Er schrieb ein paar Briefe und eilte dann in sein Studio. Als Designer lieferte er Entwürfe für 120 verschiedene Unternehmen. Als Architekt entwarf er Gebäude in 13 Ländern der Welt. Als Chefredakteur überwachte er 560 Hefte der Zeitschrift ›Domus‹, für die er auch schrieb. Sein Werk scheint omnipräsent – und trotzdem ist es wie ein kleines Wunder, dass einige seiner feinsten Entwürfe jetzt wieder erhältlich sind.  

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Zu verdanken ist ›La Collezione‹ dem langjährigen Engagement von Molteni&C in dichter Zusammenarbeit mit dem Gio Ponti Archiv. Seit 2012 werden Jahr für Jahr neue Modelle vorgestellt – es sind Meilensteine des Designs, die sozusagen direkt aus der Historie in das heimische Wohnzimmer hüpfen können. Dabei ist ihre Aufbereitung, vielfach sogar die Art ihrer Wiederentdeckung, von sehr viel Wissen und einer hochaufwendigen Detailarbeit geprägt.  

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Der Sessel D.154.2, um gleich ein Beispiel zu nennen, wurde von Ponti für die Villa des Kunstsammlers Planchart hoch über den Dächern von Caracas entworfen. Das Gebäude, so notierte der Meister, »muss die Anmut und die Leichtigkeit eines Schmetterlings besitzen.« Attribute, die man kurzerhand auch dem 1954 entwickelten Sessel zurechnen darf. Heute wird dieser schwungvolle Armlehnenstuhl aus steifem sowie weichem Polyurethan gefertigt. 

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Was dann auch gleich beschreibt, wie Molteni&C das innovative Denken von Ponti in die Gegenwart übersetzt. In jedem Stück liegt der Respekt vor dem Lebenswerk des Italiener, der 1891 in Mailand geboren wurde und noch in den 70ern zu den gefragtesten Architekten seiner Zeit gehörte. Molteni&C verfolgt aber gleichzeitig auch das Ziel, jedes Stück auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhundert anzupassen. ›La Collezione‹ operiert an einer kaum erprobten Schnittstelle zwischen klassischem Handwerk, überlieferten Werten und einer High-Tech-Ausführung. 

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Die künstlerische Leitung für die Entwicklung der ersten Ponti-Stücke wurde deshalb in die Hände des renommierten Studios Cerri & Associates gelegt. Aus 30 Designs, die entweder als reale Objekte, in vielen Fällen aber lediglich als technische Zeichnungen vorlagen, wurde dann eine Auswahl getroffen. Und hierzu gehörte auch der legendäre Armlehnenstuhl D.153.1 (oben zu sehen). Er bildete gemeinsam mit fünf weiteren Designs aus der Hand des Mailänders die viel umjubelte Auftakt-Kollektion von Molteni&C im Jahr 2012. Den extravaganten Lounge-Sessel hat Ponti übrigens für sein eigenes Zuhause in der Via Dezza erdacht. Und zwar vor 73 Jahren. 

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Francesca Molteni, seit jeher verantwortlich für ›La Collezione‹, betrachtet die Entwicklung dieser Heritage-Serie trotzdem nicht als ein Zurücklehnen in Historie. Es ist vielmehr die Erforschung eines genialen Vorbilds und Avantgardisten, die Entdeckung der Ursprünge der Moderne. Unendliche viel Kleinarbeit ist nötig, um die Auferstehung solcher bedeutenden Objekte möglich zu machen. Ponti starb 1979, so dass man ihn nicht mehr fragen kann. Das Team um Francesca Molteni analysiert das Universum dieses Machers. Noch vorhandene Texte oder Handskizzen werden gesichtet, Urtypen identifiziert – und in die Zukunft übersetzt. 

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Denn die Ponti-Kollektion versteht sich als Fusion, als orchestriertes Zusammenspiel der historischen Vorlagen mit den Möglichkeiten der industrialisierten Fertigung. Aus den sechs Modellen, die Molteni&C seinerzeit vorgestellt hat, ist inzwischen eine Serie mit 15 Objekten geworden. Darunter vier Armlehnensessel, zwei kleine Tische, ein Teppich, vier Stühle und zwei Bücherregale. Oben mit abgebildet: das Regal D.355.1. Ebenfalls kreiert für die Via Dezza.

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Gio (eigentlich Giovanni) Ponti hätte an dieser Verwandlung seiner Entwürfe, die eben nicht selten als Einzelstücke für große Architekturprojekte oder private Zwecke entwickelt wurden, seine helle Freude gehabt. Der umtriebige Generalist galt als fester Anhänger einer industriellen Fertigung, in der er etwas »Demokratisches« und zugleich auch etwas »Verfeinerndes« sah.

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Doch es ist ein langer Prozess, um Sammlerstücke aus den 30er, 50er und 70er Jahren in die Gegenwart zu transferieren. Die Originalität der Proportionen, natürlich Pflicht. Doch dann braucht es dutzende von Prototypen, um auch die dahinterliegende Konstruktion auf die Höhe der Zeit zu bringen. Fast sicher kann man sagen, dass viele dieser Meisterwerke auf immer im Archiv oder in Museen entschwunden wären, hätte Molteni&C nicht die Kraft und auch sehr viel Geld in ihre Wiederbelebung gesteckt. Nun gibt es sie wieder – teilweise sogar mit historisch verbrieften Textilien. Wie etwa dem streng-grafischen Samt-Stoff, den Gio Ponti im Jahr 1934 für den venezianische Hersteller ›Rubelli‹ entwarf (schillernd zu sehen in der Abbildung oben). 

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Kaum weniger bedeutsam auch das Holz, mit dem Ponti seine ganz eigene Liaison pflegte. »Meine Passion für bestimmte Holzarten kommt und geht. Ich liebte Bruyere-Wurzelholz... danach Esche, jetzt die Ulme.« Für den Sessel D.151.4 (oben), den Molteni&C gerade erst im Frühjahr diesen Jahres vorstellen konnte, wird amerikanisches Walnussholz verwendet. Das Design basiert auf edlen Fauteuils, die der ›Meister der Leichtigkeit‹ für mehrere Luxusliner kreiert hatte, unter anderem für die Andrea Doria. Das seinerzeit schnellste Passagierschiff der italienischen Flotte ging nur 3 Jahre nach seinem Stapellauf unter. Der Sessel freilich nicht. 

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