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Gino Sarfatti

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Wer weiß, ob die feinen Kreationen von ›Gino Sarfatti‹ überhaupt jemals wieder das Licht der Welt erblickt hätten – wäre da nicht die Familie gewesen. 1973 hatte der Italiener seine Firma ›Arteluce‹ an Flos verkauft. Und von da an, man muss es leider so sagen, gerieten fast alle seine Entwürfe allmählich aus dem Blickfeld. Nur ein oder zwei Lampen behielt man in Produktion. 

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Dabei hatte Sarfatti ein reiches Erbe hinterlassen. Mindestens 600 Designs gehen auf seine Kappe. Viele davon bahnbrechend, wunderschön, lichtsprühende Meilensteine einer neuen Ästhetik. So wie auch die Tischleuchte 607, die das Zeitalter der Halogenlampen in den 70er Jahren mit eröffnete. 20 Jahre war diese Lampe aus Aluminium mit einer Craquelé-Lackierung nicht mehr zu bekommen. Bis ein sehr besonderes Ereignis sie aus den Archiven geholt hat. 

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Das war der Gedenktag zum 100. Geburtstag von Gino Sarfatti. Unter der Beteiligung von Sammlern, dem Lizenzinhaber Flos sowie der Familie Sarfatti wurde eine anthologische Werksschau entwickelt, in der sich die Pionierarbeit des Venezianers nochmals zeigte. Von überall her reisten Fachleute an, und selbst in den USA hinterließ dieser Event, der 2012 im Triennale Design Museum in Mailand stattfand, seitenlange Berichte. Beflügelt durch den weltweiten Erfolg entschloss sich Flos ein Jahr später, fünf Entwürfe des Meisters erneut zum Leben zu erwecken — in einer originalgetreuen Reedition, jedoch mit optimierter Technik. 

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Sarfatti hätte dies gefallen. Denn nichts begeisterte ihn mehr als der technische Fortschritt. Ständig hantierte er mit neuen Lichtquellen, Schaltern, Transformatoren und Reflektoren. Er veränderte Oberflächen und den Einsatz von Werkstoffen. Mit der Hängeleuchte 2065 (oben) lieferte er 1951 erstmals einen Leuchtkörper aus <link https: de.wikipedia.org wiki polymethylmethacrylat external-link>Methacrylat. Das war neu, weil man zu dieser Zeit eigentlich nur Gläser für die Konstruktion verwendete, nicht aber Kunststoffe. Sarfatti entschlackte die Form, änderte die Mittel und optimierte auch die Art, wie Menschen das Licht sehen. Auf einmal wurde es handfester, einfacher in der Anwendung, oftmals auch günstiger.  

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Innerhalb weniger Jahre, beinah sogar Monate, formte er ›Arteluce‹ zu einer bedeutenden Anlaufstelle für neues Denken. Er versammelte um sich Handwerker, Künstler, Designer und Architekten. Darunter auch Ico Parisi sowie Marcello Vignelli. Zugleich trieb er jedes Projekt eigenhändig voran. Licht bedeutete für ihn Funktion (was man bis dahin noch nie so verstanden hatte). Sarfatti wollte es schlanker, leichter und effizienter machen. Die Stehleuchte 1063 (Bild oben) ist ein hyper-minimalistisches Beispiel dafür. Ausgestattet mit allen Ehren des Museum of Modern Art, beeinflusst dieses Modell aus dem Jahr 1954 bis heute die Arbeit von Designern. 

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Bleibt die Frage — was wurde aus den Leuchten, die in der Werkstatt von Flos so aufwendig rekonstruiert wurden? Zunächst nichts. Oder fast nichts. Es brauchte vier weitere Jahre, bevor diese Modelle (1063, 1095, 607, 2129, 548) einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden konnten. Das Problem war einfach, dass die Magie der Stücke nicht so recht zum Programm von Flos passen wollten. Deshalb ja auch hatte man das Label ›Arteluce‹ im Jahr 1996 geschlossen. 

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Doch Hilfe nahte in persönlicher Form. Denn seit den 70er Jahren unterhält die Familie, die hinter dem Unternehmen Flos steht, sehr dichte Beziehungen zu den Sarfattis. Gemeinsam entschied man, die Neuauflage dieser Lampen in die Hände von Alessandro Sarfatti zu legen, einem leiblichen Enkel des Meisters. Wer nach Sarfatti sucht, der findet das »rationale Licht« jetzt also bei Alessandro und seiner noch jungen Firma ›Astep‹ in Kopenhagen. Flos zeichnet für die Produktion verantwortlich, und vor allem — die Kollektion wird Jahr für Jahr ausgebaut. 

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Im Grunde war es ein bizarres Glück, dass Sarfatti seinem ursprünglichen Traum (er wollte Luftfahrttechnik studieren) nicht folgen konnte. Durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs hin und her geschubst, musste er 1943 in die Schweiz fliehen. Zurück blieb seine Firma ›Arteluce‹, die er mit 27 Jahren gegründet hatte. 1945, also direkt nach der Befreiung Italiens, setzte er die Produktion seiner Leuchten in Mailand fort. Er hatte keine Ausbildung – und noch dazu sehr viel Zeit verloren. Aber Sarfatti haderte nicht, er verwandelte die Geschichte einfach in Energien. 

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